EuGH erklärt das spanische Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für europarechtswidrig

1.  Einleitung

Der EuGH hat durch Urteil vom 03.09.2014 die im spanischen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz enthaltene Ungleichbehandlung zwischen in Spanien Nichtansässigen (beschränkte Steuerpflicht) und Ansässigen (unbeschränkte Steuerpflicht) für europarechtswidrig erklärt. Mit diesem Urteil geht eine zwischen der Europäischen Kommission und dem Königreich Spanien seit Jahren bestehende Kontroverse über die Europarechtswidrigkeit der erwähnten Ungleichbehandlung zu Ende. In der Tat hat die Kommission das Königreich Spanien bereits im Jahre 2007 erstmalig informiert, dass es das spanische Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für europarechtswidrig ansieht, da es europäische Grundfreiheiten  – konkret die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit – verletze. Der spanische Staat ist mehrfachen Aufforderungen der Kommission, das Gesetz insoweit zu ändern und die Ungleichbehandlung abzuschaffen, nicht nachgekommen, weswegen die Kommission im Jahr 2012 Klage (Rs. C-127/12) vor dem EuGH erhoben hat. Dieses Verfahren hat nun mit besagtem Urteil seinen Abschluss gefunden.

2. Gegenstand des Verfahrens

Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH war die steuerliche Ungleichbehandlung, die sich bei Anwendung der spanischen Rechtsvorschriften bei Vorliegen folgender Voraussetzungen ergibt bzw. ergab:

a) in Spanien nichtansässige (beschränkt steuerpflichtige) Erben oder Beschenkte, die in Spanien gelegene Vermögenswerte (vor allem Immobilien) durch Erbschaft oder Schenkung erwerben.

b) in Spanien ansässige (unbeschränkt steuerpflichtige) Erben oder Beschenkte, die im Ausland gelegene Vermögenswerte (vor allem Immobilien) durch Erbschaft oder Schenkung erwerben.

Erbschafts- oder Schenkungsteuerpflichtige, die sich in einer der beiden genannten Situationen befinden erleiden eine Ungleichbehandlung dadurch, dass sie einer deutlich höheren Erbschafts- oder Schenkungsteuer unterliegen, als der Fall sein würde, wären sie entweder in Spanien ansässig oder lägen die Vermögenswerte in Spanien.

Vereinfacht ergibt sich die höhere Steuerbelastung bei Vorliegen der erwähnten Voraussetzungen daraus, dass in diesen Fällen ausschließlich das spanische Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz von 1987 Anwendung findet (Gesetz 27/1987, vom 18. Dezember), das nur sehr geringe oder gar keine Freibeträge vorsieht, während im übrigen Fall – also bei in Spanien ansässigen Erben oder Beschenkten, die in Spanien gelegen Vermögenswerte erwerben – außerdem die Rechtsvorschriften der jeweiligen spanischen autonomen Körperschaft (Comunidad Autónoma) anwendbar sind, da sie auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer eigene Gesetzgebungsbefugnisse besitzen. Die autonomen Körperschaften haben von diesen Befugnissen auch umfassend Gebrauch gemacht, indem sie die Freibeträge für die ihrem Zuständigkeitsbereich unterfallende Erbschaften deutlich erhöht oder anderweitige Steuererleichterungen eingeführt haben. Da die spanischen Rechtsvorschriften die Zuständigkeit der autonomen Körperschaften für die Erbschafts- und Schenkungsteuer jedoch auf in Spanien ansässige Erben oder Beschenkte oder auf in Spanien gelegene Vermögenswerte beschränkt, konnten die sonstigen Steuerpflichtigen – siehe oben unter a). und b). – von den höheren Freibeträgen und Steuererleichterungen nicht profitieren.

Im Ergebnis hat dies dazu geführt, dass im Fall von in Spanien Ansässigen die große Mehrzahl der Erbschaften steuerfrei bleibt, während Nichtansässige fast ausnahmslos zur Zahlung einer Erbschaftsteuer herangezogen werden, selbst wenn das Nachlassvermögen deutlich niedriger ist, was eine offensichtliche und nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstellt.

Diese Ungleichbehandlung stellt aus Sicht der Europäischen Kommission eine Verletzung der  europäischen Grundfreiheiten, insbesondere der Kaitalverkehrsfreiheit dar, die Ungleichbehandlungen aufgrund der von  Ansässigkeit grds.  verbietet.

3. Inhalt des EuGH-Urteils

Der EuGH folgt in seinem Urteilsausspruch im Wesentlichen den Anträgen der Europäischen Kommission und bestimmt, dass das spanische Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz von 1987 wegen der dargelegten ungerechtfertigten Ungleichbehandlung gegen die in Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verankerte Kapitalverkehrsfreiheit verletzt und folglich europarechtswidrig ist.

4. Konsequenzen des Urteils für die Betroffenen

Von besonderem Interesse ist hier ohne Zweifel, welche Auswirkungen das Urteil in Bezug auf diejenigen Steuerpflichtigen haben wird, die sich in einer der genannten Situationen befinden und die unter Heranziehung der jetzt für europarechtswidrig erklären Normen zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer veranlagt wurden.

Naturgemäß geht es für die betroffenen Personen vor allem um die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung der zu viel entrichteten Erbschaftsteuer besteht und, wenn ja, wie dieser Anspruch geltend gemacht wird.

Die Beantwortung dem Grunde nach dieser Frage ist einfach: in der Tat haben Betroffenen jedenfalls dem Grunde nach einen Rechtsanspruch auf Erstattung der Erbschaftsteuer, wenn diese auf Grund der jetzt für europarechtswidrig erklärten Vorschrift festgesetzt wurde.

Jedoch bedeutet dieser Anspruch dem Grunde nicht, dass in der Praxis die Geltendmachung des Anspruchs problem- und formlos möglich wäre. Vielmehr ist bei der praktischen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs das Augenmerk auf juristische „Fallstricke“ zu legen, da deren Nichtbeachtung die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs erschweren oder sogar scheiten  Problemfelder – überwiegend rechtstechnischer Natur -, die zu beachten sind, damit das Erstattungsbegehr die Erbschaftsteuer betreffend erfolgreich ist.

Zu beachten sind hier vor allem:

– die Besonderheiten des spanischen Abgabenrechtes, das je nach Art der dem Steuerbescheid zugrundeliegenden Steuererklärung (Steueranmeldung oder Steuerfestsetzung durch das FA) unterschiedliche Rückerstattungsverfahren und Voraussetzungen vorsieht;

– die abgabenrechtlichen Verjährungsvorschriften;

– Rückwirkung von Urteilen des EuGH, die nationale Steuervorschriften für europarechtswidrig erklären;

– die Frage des Bestehens eines europarechtlichen Staatshaftungsanspruchs gegen den spanischen Staat und dessen Voraussetzungen nach nationalem Recht;

– Verjährung solcher Schadensersatzansprüche;

– Verhältnis des abgabenrechtlichen zum schadenersatzrechtlichen Erstattungsanspruch.

Wichtig ist noch darauf hinzuweisen, dass das Urteil des EuGH und dessen Konsequenzen auch im Fall von in der Schweiz lebende Betroffene Anwendung findet, da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die gemeinschaftsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit Wirkung erga omnes entfaltet, d.h. auch Ansässige in Drittstaaten (weder EU noch EWR-Mitglied) sind, schützt.

Das bedeutet, dass auch in der Schweiz ansässige Betroffene grds. über dieselben Erstattungsansprüche wie Ansässige in einem EU-Mitgliedstaat verfügen.

Aus diesem Grund ist es in jedem Fall ratsam, dass alle von diesem Urteil Betroffene – d.h. vor allem in Spanien nichtansässige Personen, die eine in Spanien gelegene Immobilie geerbt und in Spanien Erbschaftssteuern bezahlt haben – schnellstmöglich Rat bei einem im Europarecht und spanischen Steuerrecht versierten und ihrer Sprache mächtigen Rechtsanwalt suchen, um eine eingehende Prüfung des Vorliegens eines Erstattungsanspruch vorzunehmen und um diesen in der für den Betroffenen bestmöglichen Form geltend machen zu können.

Sollten Sie zu dem betroffenen Personenkreis gehören zögern Sie bitte deshalb nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen. – Daniel Prieto

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